Diamanten – ungefördert, gefördert und quicklebendig, begraben

Mr. Mana, so lässt er sich von Touristen nennen, ist 37, geschieden, weil er und seine Frau keine Kinder bekommen konnten, sehr gut Englisch sprechend, ungeheuer sympathisch, wissend und neugierig, nimmt mich heute auf seinem Motorrad mit auf eine 120 Kilometer Runde, zeigt mir einen Teil seiner Welt und erklärt mir unaufdringlich und charmant seine Sicht der Dinge.

Gar nicht leiden kann er den Vietnamesen (Wir sind keine 30 Kilometer von der Grenze zu Vietnam entfernt). Ein Viertel Vietnams ist eigentlich Khmergebiet, hat sich der Vietnamese vor langer Zeit einverleibt, heute tut er zwar freundschaftlich, aber ständig provoziert er am Grenzverlauf, und Kambodscha muss tatsächlich tagtäglich einen Überfall Vietnams fürchten. Aus diesem Grunde ist Kambodscha gezwungen, sich mit dem Chinesen gut zu stellen. Den Chinesen könne er zwar auch nicht leiden, es sei eine Schande, wie viel Profit und Einfluss China aus seinem Engagement in die Infrastruktur Kambodschas (Straßen-, Flughafen-, Dämme-, Städtebau) ziehe, aber ohne den militärischen Beistand Chinas wäre der Vietnamese schon längst einmarschiert und dann wäre das ganze Land weg.

Ich kann kein Urteil zu der geschilderten machtpolitischen Situation abgeben.
Trotzdem verfalle ich in diesen kabarettistischen Wiedergabestil, weil ich überzeugt bin, dass dieses Narrativ von der vietnamesischen Bedrohung von der korrupten kambodschanischen Regierung mit ihrer Nach-uns-die-Sündflut-Mentalität konstruiert, verbreitet und geschürt wird, damit die eigene Bevölkerung ein Feindbild hat und nicht auf die Idee kommt, die Regierungsbeamten für die immer größer werdende Schere zwischen wenigen Reichen und massenhaft Armen im Land zur Verantwortung zu ziehen.

Dies ist – wie bereits gesagt – meine ganz persönliche Meinung, die ich nicht belegen kann, sondern nur auf Aussagen anderer Kambodschaner, mit denen ich Kontakt hatte, begründe.

Erste Station: Gems mining fields (Buddeln nach (Halb)Edelsteinen

Warum in diesem Gebiet bestimmte Halbedelsteinvorkommen anzutreffen sind, kann mir Mr. Mana nicht erklären. Der Boden – und somit auch die darin befindlichen Edelsteine – gehören einem Kautschukplantagen Besitzer.
Menschen aus den umliegenden Dörfern unterschiedlicher Ethnien dürfen hier „unentgeltlich“ nach Schätzen graben, müssen diese aber zu einem Vorzugspreis ausschließlich an den Großgrundbesitzer verkaufen. Die Löcher, die mit primitivsten Hilfsmitteln ausschließlich unter Körpereinsatz gegraben werden, haben einen Durchmesser von ca. 1,5 Meter und gehen zwischen 10 und 15 Meter in die Tiefe. Damit in dieser Tiefe überhaupt ein Aufenthalt möglich ist, muss ein solches Loch mit mindestens einem zweiten durch einen Tunnel vernetzt sein, sodass Luft zum Atmen zirkulieren kann.

Es gebe häufig Tote, wenn ein solches Tunnelsystem kollabiert, gesteht er, aber die Verlockung auf den ganz großen Fund sei einfach sehr groß

Sie sei zweifache Großmutter, sagt diese 42jährige Frau, die mit einer Axt einen filigranen Reislöffel aus Holz formt, während ihr Mann 15 Meter unter ihr nach dem großen Glück gräbt

Wenn die Suche auf diesem Feld erschöpft ist, wird ein Bulldozer die Erde wieder platt machen, indem die zu Hügeln ausgeworfene Erde wieder zurück in die Löcher geschoben wird

Aber noch ist es nicht so weit. Bevor man auf ein neues Feld weiter zieht, liegt der Traum vom großen Glück genau hier!
Erst vergangene Woche habe der Freund dort hinten einen Klumpen im Wert von 150 US Dollar gefunden und an den Herrn verkaufen können

Zweite Station: Zu Besuch im Dorf einer ethnischen Minderheit

Das Baby, das tief und ruhig schläft, ist vier Tage alt, hat die ersten 24 Stunden seines jungen Lebens durchgeweint, wurde deshalb unter größtem (materiellen) Aufwand ins Krankenhaus der 35 Kilometer entfernten Stadt gebracht und behandelt. Der Arzt auf der Krankenstation hier beim Dorf hatte das Neugeborene bereits aufgegeben.
Der Vater des Kindes war vor einem Jahr mein Guide auf einer tollen Mountainbiketour. Als ich Mr. Mana Sakals Foto zeigte, flippte er aus: das sei sein guter Freund, der gerade Vater geworden ist, und genau dessen Dorf würden wir heute einen Besuch abstatten.
Ein wunderbarer Umstand, denn so trete ich nicht als gaffender Zoo- oder Zirkusbesucher in dem Dorf auf, sondern als Farang, der einen Freund besucht.

Dritte Station: Primary school

Unangemeldet betreten Mr. Mana und ich dieses Klassenzimmer der Grundschule im gleichen Dorf. Es ist kein Lehrer, keine Lehrerin anwesend, die Kinder sitzen alle auf ihren Plätzen, unterhalten sich leise. Als wir eintreten, erheben sich sie sich unaufgefordert, Mr. Mana erklärt kurz die Situation und schwupps: die Englischstunde beginnt:

Hello!Hello!
Nice to meet you.Nice to meet you, too.
I’m from Germany. Where are you from?I’m from Cambodia.
Nach einer guten halben Stunde kommt der Klassenlehrer und ich bin glücklich und entlassen.

Vierte Station: Zu Besuch im Dorf einer anderen Ethnie

Gerade mal sieben Kilometer weiter besuchen wir eine andere Minderheit, die eine andere Sprache spricht und ein ganz besonderes Bestattungsritual hat.
Reisschnaps wird wahrscheinlich in jedem Dorf produziert.
Der Reis wird gegart. Ein Ferment – Hauptbestandteil: ein bestimmter Baumkäfer zu Mehl gemahlen – wird hinzu gesetzt. Wenn die Fermentation abgeschlossen ist, wird destilliert. 10 Kilogramm Reis ergeben 10 Liter Reiswein.
Ich durfte einen Schluck probieren: Ca. 40% – köstlich!

Die Menschen in diesem Dorf sind Animisten. Für die Beerdigung eines Toten bauen sie im Dschungel ein einfaches Haus (für einen Erwachsenen ein großes, für ein Kind ein kleines – die Kindersterblichkeit im Dorf ist sehr hoch). Das Haus wird mit aus Holz geschnitzten Figuren versehen, die den Toten beschützen, begleiten, versorgen soll. Zur Beerdigung (der Leichnam wird nicht verbrannt!) muss ein Büffel geopfert werden – ohne dieses Opfer findet der Tote keine Ruhe – das ganze Dorf feiert mit einem Festmahl und reichlich Alkohol mehrere Tage lang Abschied. Dann überlässt man dem Dschungel den Toten und kehrt nie wieder an diesen Ort zurück.

Die Holzfiguren an den Totenhäusern tragen seine Handschrift. Er beklagt, dass es bisher keinen Nachfolger für ihn gibt

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